„Die Drogenprobleme haben zugenommen“
Ortsvorsteher Oliver Strank spricht über die Neue Altstadt in Frankfurt, die steigenden Drogenprobleme im Bahnhofsviertel und illegale Autorennen im Europaviertel.
Herr Strank, im September wurde die Neue Altstadt eröffnet. Wie gefällt sie Ihnen eigentlich?
Insgesamt sehr gut. Ich war von Anfang an ein Befürworter. Ich glaube, wenn ein bisschen Zeit vergeht, wird dort alles noch etwas ursprünglicher und echter aussehen, nicht so geschniegelt wie jetzt.
Ist die Altstadt ein Gewinn für die Stadt oder ein teures Schmuckstück?
Natürlich gab es anfangs Kritik, das könne ein künstliches Disneyland werden. Dieser Gefahr müssen wir weiter begegnen. Wichtig ist, dass der Tourismus nicht über allem steht, sondern dass die Interessen aller Frankfurter und vor allem aller Anwohner berücksichtigt werden. Zurzeit gibt es dort – wie überhaupt in der Innenstadt – noch zu wenige Orte, an denen man sich kostenlos aufhalten kann. Jetzt geht es darum, nachzujustieren. Zu prüfen, wie wir mehr Aufenthaltsqualität schaffen können, zum Beispiel mit Bänken oder Bücherschränken.
Können Sie nachvollziehen, dass es manche Bürger stört, dass die Stadt 200 Millionen für solch ein Prestige-Projekt in die Hand nimmt – statt etwa für bezahlbare Wohnungen?
Ja, das kann ich gut verstehen. Aber zu sagen, das Geld fehle woanders, ist eine schiefe Rechnung. Die Neue Altstadt ist eine Investition, die sicher einen langanhaltenden Effekt auf die gesamte Stadt haben wird. Trotzdem gilt es, dafür zu sorgen, dass nicht nur das Hochglanz-Frankfurt gefördert wird, sondern dass Frankfurt eine Stadt für alle bleibt.
Wo sehen Sie Möglichkeiten?
Wir brauchen sehr viel mehr Geld für bezahlbaren Wohnraum, aber unabhängig von der Restauration der Altstadt, die für die Identität von uns Frankfurtern wichtig war. Die Frankfurter lieben ihre Altstadt, Frankfurt hat endlich sein Herz zurückbekommen. Durch derartige Restaurationen wird die historische Kriegsschuld Deutschlands keinen Millimeter relativiert. Im Gegenteil: Sie stabilisieren die historische Identität unserer heutigen Gesellschaft, stärken dadurch den sozialen Zusammenhalt und tragen dazu bei, dass sich so etwas Schreckliches nie mehr wiederholt. Deshalb hat mein Ortsbeirat ja auch beschlossen, dass auch die Paulskirche mit finanziellen Bundesmitteln restauriert wird, um gerade heutzutage die tolle Geschichte unserer Demokratie erlebbar zu machen.
Ein Dauerbrenner auf der Tagesordnung des Ortsbeirats ist das Bahnhofsviertel. Ist es dort aus ihrer Sicht im vergangen Jahr sicherer geworden?
Ich bin froh, dass es jetzt endlich das Nachtcafé gibt, das Drogensüchtigen und Obdachlosen einen Unterschlupf bietet. Wir haben das als Ortsbeirat lange gefordert. Man muss aber klar sagen: Die Drogenprobleme haben in den letzten fünf Jahren zugenommen. Und es ist schmutziger geworden. Leider verschließt sich hier der Magistrat bisher größeren Lösungen wie dem von uns gewünschten Crack-Areal.
Dieses Jahr gab es im Bahnhofviertel viele Razzien. Mit Erfolg?
Man kann mit Razzien allein das Problem nicht lösen, aber sie verstärken das subjektive Sicherheitsgefühl. Die Leute sehen: Das Bahnhofsviertel ist kein rechtsfreier Raum, da werden Straftaten aufgedeckt und verfolgt. Das ist ein wichtiger psychologischer Effekt. Und der Polizeipräsident hat mir bestätigt, dass in diesem Jahr tatsächlich mehr Straftaten aufgeklärt wurden als zuvor.
In der öffentlichen Wahrnehmung dominieren Themen wie Kriminalität, Drogen, Prostitution. Andererseits zieht die Bahnhofsviertelnacht jedes Jahr Zehntausende an. Wie kann man den Reiz – den das Viertel offenkundig hat – herausstellen?
Das Bahnhofsviertel ist inzwischen weltberühmt. Ich habe mit New Yorkern gesprochen, die sagen: Das ist „the place to be“. Es ist der Stadtteil, der Frankfurt erst zur Metropole macht. Es ist ein Zukunftslabor, das ständig neue Impulse in die ganze Stadt sendet und unglaublich viel bietet: Kreativität, kulturelle Vielfalt, ein berühmt-berüchtigtes Nachtleben und kurze Wege. Hier ist alles möglich. Wir müssen die positive Seite dieses tollen Viertels noch viel mehr hervorheben. Es geht darum, mehr Sicherheit zu schaffen, aber trotzdem die Kreativität zu erhalten.
Im Allerheiligenviertel wurden Kameras zur Aufklärung von Drogendelikten installiert. Jetzt wird zehn Meter weiter östlich gedealt. War die Mühe umsonst?
Im Kampf gegen Drogenkriminalität kommt es oft zu solchen Verdrängungseffekten. Dass Drogen verkauft werden, wird man nie ganz verhindern können, und es gibt auch nicht die eine Maßnahme, die alle Probleme löst. Wir brauchen eher einen ganzheitlichen Ansatz ohne Denkverbote, zu dem auch eine behutsame Legalisierung von Cannabis gehören kann. Das Allerheiligenviertel ist bisher teilweise ein eher unheiliges Viertel, eine Parallelwelt – viele Frankfurter kennen es gar nicht. Dabei hat es ein Riesenpotenzial: Es ist innenstadtnah und hat mit dem Allerheiligentor einen schönen Eingang. Das Viertel attraktiver zu machen ist eins meiner Herzensprojekte für nächstes Jahr.
Auch über die Attraktivität des Europaviertels wird im Ortsbeirat diskutiert. Vor allem mit den alteingesessenen Gallus-Bürgern gibt es Konflikte. Haben die Frankfurter das Europaviertel schon akzeptiert?
Das Europaviertel ist in gewisser Weise künstlich in die Stadt eingepflanzt worden. Da muss man Geduld haben. Noch gibt es wenig Gründe für die Frankfurter, ins Europaviertel zu kommen. Ich stelle mir dort zum Beispiel ein Museum über Europa vor. Wenn die Aufenthaltsqualität steigt, wird auch dieses Nebeneinanderherleben aufhören.
Gern genutzt wird das Europaviertel hingegen für illegale Autorennen. Warum halten es viele für eine Rennstrecke?
Die Europa-Allee animiert dazu. Sie sieht ja schon fast aus wie eine Autobahn. Als Ortsbeirat wünschen wir uns einen Springbrunnen als Fluchtpunkt. Auch die Seiten muss man noch attraktiver gestalten, damit die Straße nicht so steril wirkt, etwa durch Radwege. Wir müssen die Europa-Allee zu einem urbanen Boulevard umgestalten, als der sie ursprünglich geplant war.
Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Was würden Sie 2019 gerne anstoßen?
Dass der Bücherbus dauerhaft im Gutleut hält. Dass die Stadt unserer Anregung folgt, der Stadtbücherei mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Dass das Gutleut endlich einen Wochenmarkt und einen Geldautomaten bekommt – aktuell gibt es dort keinen einzigen. Dass der Magistrat endlich mehr gute öffentliche Toiletten aufstellt. Dass wir der Vision einer autofreien Innenstadt ein paar Schritte näherkommen, indem wir das Wochenende rund um die Bahnhofsviertelnacht für ein paar Tage autofrei machen. Und, wie gesagt, das Allerheiligenviertel aufwerten.
Interview: Manuel Schubert
Foto: Renate Hoyer