„Bruch der Koalition wäre falsch“

Der neue Frankfurter SPD-Vize Oliver Strank zu den Plänen der Partei bis zur Kommunalwahl.

Er ist der prominenteste Vertreter der neuen, jungen SPD-Führungsgeneration in Frankfurt: der 39-jährige Vizevorsitzende Oliver Strank. Die FR sprach mit ihm über die anstehende Wiederwahl von Baudezernent Jan Schneider (CDU), die autofreie Innenstadt und viele andere Themen.

Herr Strank, beim Frankfurter SPD-Jahresparteitag hat es einen Generationswechsel in der Parteispitze gegeben. Nach vorne gerückt sind die 30- bis 40-Jährigen, zu denen Sie als neuer stellvertretender Unterbezirksvorsitzender auch zählen. Was macht diese neue Generation anders?
Uns Jüngere zeichnet womöglich aus, dass wir ungeduldiger sind und deshalb bereit, noch mutigere Vorschläge zu machen, wenn es darum geht, Herausforderungen für unsere Stadt zu meistern. Dass wir noch mehr vorangehen wollen bei den wichtigen Themen: Bildung, Verkehrswende, bezahlbarer Wohnraum und Digitalisierung. Bei diesen Themen werden wir als SPD in Frankfurt noch klarer unser Profil schärfen. Es ist heute noch wichtiger als früher, erkennbar zu sein mit glasklaren Positionen. Die Leute haben seit zehn, fünfzehn Jahren ohnehin vermehrt das Gefühl, dass immer weniger Entscheidungen in den Parlamenten getroffen werden. Wir müssen daher das Primat der Politik über die Wirtschaft zurückbekommen, wenn wir die Demokratie retten wollen.

Das ist eine Kampfansage in der Römer-Koalition von CDU, SPD und Grünen, denn Sie brauchen für Ihre Ziele ja dort eine politische Mehrheit. Nehmen wir als Beispiel mal den Beschluss des SPD-Parteitages, dass in neuen Wohngebieten in Frankfurt 50 Prozent öffentlich geförderter Wohnraum entstehen soll. Die CDU hat sich schon gegen 40 Prozent heftig gesträubt, weil sie die Bildung von Ghettos befürchtet. Wie soll das gehen?
Das ist eher eine Kampfansage an das ewige politische Klein-Klein bei den Zukunftsthemen. Und damit zugleich an alle anderen Parteien mit Blick auf die nächste Kommunalwahl, bei der wir stärkste Kraft werden wollen. Mit unserem Generationswechsel hier in Frankfurt haben wir die Chance, eine noch klarere eigene SPD-Position zu entwickeln. Was uns auf Bundesebene erst recht noch viel besser gelingen muss. Es steht doch außer Frage, dass wir in ganz Deutschland mehr Sozialwohnungen brauchen, weil jährlich mehr Wohnungen aus der Sozialbindung fallen als gebaut werden. Das ist aber nur eine von vielen Maßnahmen.

Das bedeutet doch Streit in der Koalition. Wie wollen Sie die 50 Prozent durchsetzen?
Die 50 Prozent sind eine von mehreren Visionen unserer Partei für die Zukunft unserer Stadt. Für ein „Frankfurt für alle“. Sie werden nicht von heute auf morgen durchsetzbar sein. Genauso wie die Verkehrswende mit der autofreien Innenstadt bis 2040. Ich will, dass die SPD noch mehr die Fortschrittspartei ist, die heute schon die Zukunft gestaltet. Radentscheid und Mietentscheid gibt es doch nur, weil viele Menschen ungeduldig sind. Wir sind auch ungeduldig. Deshalb werden wir weiter die treibende Kraft in Frankfurt sein. Wir brauchen einen Mobilitätsentscheid und einen Digitalisierungsentscheid. Und beide müssen in unserer Partei stattfinden.

Gegen die autofreie Innenstadt gibt es erheblichen Widerstand. Eine konservative Tageszeitung in Frankfurt hat geschrieben, die SPD steuere jetzt einen linksradikalen Kurs.
Innovationen treffen häufig auf Widerstand. Doch nichts ist mächtiger als die Idee, deren Zeit gekommen ist. Die Kritiker einer „autofreien Innenstadt“ überschätzen die mit ihr vermeintlich verbundenen Einwirkungen. Es wird ja oft beklagt, dass Parteien nicht mehr unterscheidbar seien. Wir grenzen uns jetzt klarer ab, auch in der Koalition. Wir schärfen unser Profil. Und das ist gut so.

Bei der autofreien Innenstadt wird Ihnen vorgeworfen, die Wirtschaft und den Einzelhandel zu schwächen. Was sagen Sie dazu?
Es geht darum, die Verkehrswende so zu gestalten, dass die Lebensqualität für alle steigt, auch für die Autofahrer. Dass wir einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten ohne die Wirtschaft zu schwächen. Der Einzelhandel hat sich verändert. Er geht immer mehr in Richtung Online-Handel. Autofreie Innenstadt bedeutet ja keineswegs, dass gar keine Autos mehr in die City dürfen. Es wird Ausnahmen geben. Natürlich dürfen Lieferanten in die Innenstadt fahren. Die autofreie Innenstadt wird Schritt für Schritt, Straße für Straße behutsam geprüft und mit Augenmaß umgesetzt. Wir beginnen jetzt mit der Sperrung der nördlichen Mainuferstraße…

…vom August an als Modellversuch für ein Jahr.
Dann wollen wir die Kaiserstraße probeweise sperren. Das habe ich ja im Ortsbeirat 1 bereits eingebracht. Das wird den Einzelhandel am Ende sogar stärken.

Ihr Vorstandskollege Armand Zorn hat in einem Gastbeitrag in der FR der Stadt vorgeworfen, sie verschlafe den digitalen Wandel. Was muss denn geschehen?
Der Gründer und Sprecher des SPD-Arbeitskreises Digitalisierung in Hessen, Jens Best, beklagt schon seit längerem, dass die Stadt den digitalen Wandel verschläft. Wir brauchen in der Stadt öffentliches WLAN. Frankfurt ist der große Internetknoten der Welt. Es ist ein Armutszeugnis, dass es kein kostenloses WLAN gibt.

Ich komme noch einmal auf das Klima in der Römer-Koalition zurück. Die Jusos haben ja damit gedroht, dass bei der anstehenden Wiederwahl die SPD dem CDU-Baudezernenten Jan Schneider die Stimmen verweigert. Kommt es so weit?
Das glaube ich nicht. Es stimmt, dass es eine große Unzufriedenheit mit dem Baudezernenten gibt. Daher muss man abwarten, wie sich die nächsten Wochen entwickeln. Aber klar ist: Wir wollen in den nächsten Jahren bis zur Kommunalwahl 2021 weiter die treibende Kraft bleiben. Die SPD hat die vier Gestaltungsdezernate Planen, Verkehr, Bildung und Kultur. Da wird die Zukunft gestaltet. Das dürfen wir nicht verspielen. Wir brauchen eine Gestaltungsmehrheit im Römer. Deshalb kann die SPD keinen Bruch der Koalition wollen. Das wäre der falsche Weg. Uns geht es darum, jetzt schon mutige Vorschläge für die nächste Kommunalwahl zu machen und unseren politischen Weg konsequent fortzusetzen.

Wäre da bei der Kommunalwahl 2021 eine rot-rot-grüne Koalition am Horizont?
Wir schließen keine Koalition aus. Wir wollen selbst so stark wie möglich werden. Dann erst stellt sich die Frage, mit welcher Mehrheit wir unsere Themen umsetzen.

Werden Sie sich weiter klar von der SPD auf Bundesebene abgrenzen?
Wir müssen auch im Bund endlich ein klares, eigenständiges Profil herausstellen. Wir müssen uns auch dort klar abgrenzen von den anderen Parteien. Insofern kann die Bundespartei von uns lernen. Wir haben einen roten Faden. Unser roter Faden in Frankfurt ist die Stadt für alle. Auf Bundesebene haben wir endlich mit dem Sozialstaatskonzept einen glasklaren Vorschlag unterbreitet, jetzt gilt es nicht nachzulassen.

Sie halten es für richtig, von Hartz IV Abschied zu nehmen?
Ja. Wir müssen Hartz IV hinter uns lassen. Das war 2003. Jetzt geht es um die Zukunft. Es geht jetzt darum, den Sozialstaat zu modernisieren mit Blick auf die Jahre 2030 bis 2040. Wir müssen die Mängel, die es bei Hartz IV gab, endgültig abstellen. Wir müssen künftig von den Menschen etwas weniger fordern und sie stattdessen mehr fördern.

Wie stark werden Sie in Zukunft auch das Gesicht der Frankfurter SPD sein? Bisher ist ja alles öffentlich auf den Parteivorsitzenden Mike Josef zugeschnitten.
Bei der Bundestagswahl 2017 war ich schon ein Gesicht der Frankfurter SPD. In den nächsten Jahren werde ich in Frankfurt genauso aktiv bleiben, wie ich es ja schon als Vorsteher des Ortsbezirks 1 tue. Mike und ich sind gute Fußballer, und wir werden einen guten, gepflegten Doppelpass spielen in den nächsten Jahren. Es wird eine Arbeitsteilung geben. Wir haben uns darüber schon unterhalten. Ich freue mich darauf.

Interview: Claus-Jürgen Göpfert
Foto: Jülich